Gemeinde Bakum
Wettbewerb 2020: 3. Preis, Beauftragung
Geplante Fertigstellung: 2024
Mit nsp landschaftsarchitekten + stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock
Städtebauliches Konzept / Leitidee / Erschließung
Das Dorf Bakum mit seinen umliegenden Bauerschaften ist geprägt durch seine lange Bauern-, Adels- und Kirchengeschichte.
Das Rathaus liegt im historischen Kernbereich des Dorfes, in unmittelbarer Nähe zur neugotischen Hallenkirche St. Johannes Baptist, deren Ursprünge sich urkundlich bis in das 11. Jahrhundert zurückverfolgen lassen.
Historische Karten von 1900 stellen den Kernbereich des Dorfes mit einer markanten geschlossenen Bebauung an der Kirchstraße und der Loher Straße dar. Ansonsten ist das Dorf durch vereinzelte, an den Ausfallstraßen liegenden Gebäuden und Hofstellen geprägt. Diese Gebäude sind u.a. auch als Fachwerkgebäude mit Verblenderausfachungen und großzügigen Satteldächern (z.B. Bünnemeyers Huus, „Minchen Beier“, Huus Boaken, Bahlmann, Huus Weiß, Hachmöller, Siemer) mit entsprechenden Giebeln vorzufinden. Oftmals sind die Giebel der Heuerhäuser mit einer senkrechten Holzverschalung versehen.
Die geschlossene Bebauung im Ortskern ist bis heute erhalten. Die Gebäude mit traufständigem Satteldach an der Kirchstraße werden zur Zeit abgerissen und durch eine 3-geschossige Wohn- und Geschäftshausbebauung ersetzt, die eine Verdichtung darstellt.
Die Bebauungsstruktur des Dorfes wird vorwiegend durch freistehende ein- bis zweigeschossige Einzelhäuser mit geneigten Dächern und rot verblendeten Fassaden geprägt. So auch im direkten Umfeld des Rathauses. Die öffentlichen, größeren Gebäude wie Schulen, Schwimm- und Sporthalle befinden sich im nordöstlichen Anschlussbereich des Grundstückes. Insgesamt ist die dörfliche Struktur durch eine heterogene Bebauung aus klein- und wenigen größer maßstäblichen Gebäuden mit geneigten Dachformen gekennzeichnet.
Da das bestehende Rathaus während der Bauzeit weiterhin genutzt werden soll, steht diese Fläche für den Neubau nicht zur Verfügung.
Der Neubau öffnet sich städtebaulich mit einem räumlich gefassten Platz zur Kirchstraße, sodass eine angemessene und einladende Eingangssituation und eine multifunktional nutzbare Freifläche entstehen. Der Baukörper erstreckt sich seitlich und im hinteren Bereich des Altbaus. Im rückwärtigen Grundstückbereich bleibt der Parkplatz und die Zufahrt zum Friedhof erhalten.
Der neue 2- bzw. 2,5 geschossige Baukörper tritt durch seine Kubatur, Fassaden- und Dachgestaltung selbstbewusst und repräsentativ in Erscheinung. Dabei reagiert er auf seine umgebende Bebauung. Der überhöhte „Kopf“ des Bauteils definiert den Auftakt des Gebäudes und ist in der Flucht des Nachbargebäudes Kirchstraße 1 angeordnet. Die Loggia öffnet sich zum historischen Dorfkern und der Kirche. Das Gebäude fasst mit diesem flankierenden, schlanken Gebäudeteil und dem parallel zur Kirchstraße verlaufenden Eingangsbereich den neuen Gemeindeplatz. Den seitlichen Abschluss dieses Platzes bildet das benachbarte Denkmal Kirchstraße 5. Respektvoll wendet sich der Neubau vom Denkmal ab und lässt ihm den nötigen Raum. Das Dachgeschoss mit regionaltypisch geneigtem Dach und dem prägnanten Giebel als Gesicht zur Schulstraße markiert den Übergang zu den größeren öffentlichen Gebäuden und ist gleichzeitig Anfangs- und Endpunkt des Gebäudes an der Schulstraße. So setzt das Rathaus einen städtebaulich positiven Impuls im zentralen Ortsbereich.
Gebäudetypologie und Grundrisskonzept des Rathauses
Die ausdrucksstarke Kubatur und reduzierte Materialität geben dem Rathaus in Verbindung mit einer zeitgenössischen Fassadengestaltung eine eigene Identität.
Das Zusammenspiel von Mauerwerkslisenen, großflächigen Fensterflächen und geschlossenen Verblenderflächen stärkt die Gebäudekubatur. Die Mauerwerkslisenen verleihen dem Gebäude eine homogene und einheitliche Außenhaut. Der Verblender als traditioneller Baustoff der Region zeigt Beständigkeit und Nachhaltigkeit. Die Lisenen nehmen Bezug zum historischen Fachwerk und den holzverschalten Giebeln.
Selbstbewusst präsentiert sich der Ratsbereich zur Kirchstraße und öffnet sich mit großzügig verglasten Fassaden zum Gemeindeplatz. Hier wird sowohl Politik und auch Kultur erlebbar und sichtbar. Dem Rat wird ein repräsentativer Versammlungs- und Entscheidungsort geboten.
Der Haupteingang des Gebäudes wird über den Vorplatz erschlossen und wirkt einladend und bürgerfreundlich. Das offen und flexibel gestaltete Bürgerbüro vermittelt Kundenfreundlichkeit und erzeugt mit dem zweigeschossigen Luftraum und Dachoberlicht eine helle und freundliche Atmosphäre. Die großzügige Treppenanlage mit Sitzstufen hat Aufenthaltsqualtiät und lädt zu verschiedensten Nutzungen ein. So werden die Info und das Bürgerbüro zum Ort der Begegnung. Außerdem wird eine gute Orientierung im Gebäude gewährleistet.
Im EG befinden sich der FB I Ordnung, der FB III Bildung und Soziales, das Familienservicebüro sowie die Polizei. Durch gezielt geplante Türanlagen können alle Bereiche unabhängig voneinander genutzt werden. Im 1.OG sind die Verwaltung, der FB II Finanzen und der FB IV Bau und das Trau- bzw. Besprechungszimmer im „Kopf“ des Gebäudes angeordnet und ist vom Gemeindeplatz separat zugänglich. Aufenthalts- und Wartezonen sind sind wie selbstverständlich in den aufgeweiteten Flurbereichen vorgesehen. Hier könnten z.B. auch kleine Aufstellflächen oder Informationstafeln installiert werden.
Die Erweiterungsfläche befindet sich als Ausbaufläche im 2.OG. Hier kann die Grundrissstruktur fortgeführt werden.
Eine Teilunterkellerung nimmt die erforderlichen Nebenräume auf und ist neben der internen Erschließung auch durch eine außen liegende Rampe zugänglich.
Materialität
Die Materialien sind nachhaltig und robust gewählt, um die Werthaltigkeit der Bauten auf lange Zeit zu gewährleisten. Das Rathaus ist in Anlehnung an die regionaltypische Bauweise als Massivbau mit mineralischer Dämmung und einem rötlich braunem Verblendmauerwerk vorgesehen. Die geneigten Dachflächen werden als klassische Holzkonstruktionen mit flachen Betondachsteinen ausgeführt. Die Fenster werden als Holz-Aluminiumfenster mit einer Deckschale in einem warmen Eloxal-Farbton vorgeschlagen.
Außenanlagen
Im Rahmen des Entwicklungskonzepts „Neubau Rathaus Bakum“ gilt es architektonische und freiraumplanerische Maßnahmen für die zukünftige Gestalt der Ortsmitte zu entwickeln. Der vorgeschlagene Entwurf um den künftigen Gebäudekomplex unterstützt die künftige gesellschaftliche Zentralfunktion und lässt einen repräsentativen Vorplatz entstehen.
Die Haupterschließung für die Besucher bzw. Anwohner erfolgt über die Kirchstraße, Mitarbeiterstellplätze und der Friedhofseingang an der Nordseite des Grundstücks können auch über die Schulstraße erreicht werden. Der orthogonale Verband aus Betonwerkstein und die radialen Vegetationsinseln reagieren auf die Kubatur und bilden einen klar strukturierten, offenen Raum für Begegnung und Kommunikation, für Versammlungen oder Stadtfeste. Der Homogene Belag bildet einen „Teppich und ermöglicht einen niederschwelligen Zugang in alle Bereiche, auch die bestehende Bushaltestelle wird in den Vorplatz integriert. Das zentrale Element auf dem Vorplatz bildet die Bürgerbank. Das skulpturale Sitzelement ist in Form und Ausprägung dem neuen Gebäude nachempfunden und ermöglicht zudem Kinderspiel und freie Aneignung. Unter dem lichten Blätterdach entsteht in Kombination mit dem Wasserspiel eine besonders angenehme Aufenthaltssituation auch an heißen Sommertagen. Auf dem Vorplatz sind Pkw-Stellplätze für Besucher, Stellplätze für Fahrräder und Motoroller verortet. Entlang der Durchfahrt Richtung Norden befinden sich die Einhausung für den Abfall und die abschließbaren Fahrradstellplätze für die Mitarbeiter.
Fazit
Das Rathaus erscheint in Kubatur, Fassadengestaltung und Materialität zeitgemäß, drängt sich jedoch nicht auf und wahrt den Respekt zur umgebenden Bebauung. Durch seine städtebauliche Einbindung, seine bewusste Formensprache und der
freundlichen Farb- und Materialwahl stellt das Rathaus ein repräsentatives, einladendes und modernes Gebäude dar. Der Dorfkern rund um die historische Kirche gewinnt mit dem Rathausneubau und dessen maßstäbliche Einbindung an Attraktivität. So entsteht durch den Neubau des Rathauses die Chance ein neues, attraktives Gemeindezentrum zu entwickeln, das Leben und Arbeiten verbindet. Ziel ist es einen Ort zu schaffen, der durch die Architektur und Freiraumgestaltung eine hohe Identität und Aufenthaltsqualität garantiert und somit ein Alleinstellungsmerkmal für den Ortskern bildet.